Die unsichtbare Freude: Die unerzählten Geschichten vieler Sternenkindmamas

13.11.2023

Kategorie(n): Kleine Geburt | Stille Geburt | Umgang mit dem Umfeld

In unserer Gesellschaft werden Emotionen oft in Schubladen gesteckt – Freude, Glück sind in der Schublade der guten Gefühle. Trauer, Wut, Neid in der Schublade der schlechten Gefühle. Wenn die eine Schublade geöffnet ist, ist die andere geschlossen. Beide gleichzeitig geöffnet, das ist für die meisten unvorstellbar.

Doch was passiert, wenn diese Gefühle tatsächlich auf eine Weise miteinander verwoben sind, die für die meisten Menschen unvorstellbar ist?

Ich verrate dir etwas, falls du selbst nicht Betroffene bist: Das ist die Realität für viele Sternenkindmamas. Denn, wenn für Außenstehende häufig nur der Schmerz um den Verlust des Babys zu sehen ist, all die geweinten Tränen, die Fassungslosigkeit und die Wut, so begleiten uns Sterneneltern ein Vielfaches mehr an Gefühlen.

Dies zu erfahren und zu verstehen ist meistens sehr überwältigend, da wir eben so geprägt sind, dass es nur das eine oder das andere gibt.

🔸Wenn mein Baby doch tot ist, kann ich dann überhaupt über die schöne und unbeschwerte Schwangerschaft sprechen?

🔸Wenn meine Geburt doch eine stille Geburt war, darf ich sagen, dass sie auch schön war und ich war in dem Moment voller Stolz für mich und mein Kind?

In diesem Beitrag möchte ich darauf aufmerksam machen, dass es in der Beziehung einer Sternenmama und ihrem Kind auch diese schönen Momente gab und den Angehörigen oder Fachpersonen vermitteln, dass es so viel mehr gibt als die Trauer und den Schmerz weil die Beziehung schon viel länger dauerte als der Moment des Verlustes.

Ich möchte dich als Sternenkindmama außerdem dazu einladen, wenn du bereit bist, deinen Blick auch auf diesen Teil eurer Beziehung zu legen, da dort sehr viel Glück und Freude auf dich wartet. Der Schmerz und die Trauer löschen die guten Momente nicht aus. Es ist kein Entweder – Oder. Du kannst traurig sein und dankbar sein. Du kannst voller Liebe sein und gleichzeitig mit gebrochenem Herzen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass Menschen in der Lage sind, auch scheinbar konträre Gefühle in uns zu halten. Manchmal sogar im selben Moment.

In meinen beiden Coachings, die ja speziell auf Sternenmamas ausgerichtet sind, gibt es jeweils eine Lektion, in der wir uns mit der vorherigen Schwangerschaft und dem verstorbenen Kind auseinandersetzen. Dies mag zunächst schmerzhaft erscheinen, aber es ist entscheidend, den emotionalen Einfluss der vorherigen Schwangerschaft auf die aktuelle oder die geplante zu verstehen. Es ist wichtig, dass wir Gefühle fühlen und uns ihnen überhaupt bewusst sind. Nur so kann eine langfristige und heilsame Integration des Todes deines Babys stattfinden.

Im RM2B-Kurs geben wir den Sternenkindern daher nochmal ganz bewusst einen Raum und die Mamas sind eingeladen, sich einmal mit den Geschenken ihrer Schwangerschaft und der gemeinsamen Zeit auseinanderzusetzen.
Ich frage jede einzelne Frau:

🔸 Was sind deine Marmeladenglasmomente und was hast du für dich aus der Zeit mit deinem Baby mitgenommen?

🔸 Wie war dein Kind? Was für ein Wesen hatte sie oder er?

🔸 Welches Symbol verbindest du mit ihm oder gibt es Zeichen, die dich seither begleiten?

Diese Momente sind von unaussprechlichem Wert, da sie sich auf das gemeinsame Leben beziehen und den Fokus von dem Tod abziehen.

Die Live-Stunde in unserem Kurs ist eine Mischung aus Schönheit und Trauer. Sie ist magisch und schön, weil die Mamas mit einem Lächeln auf den Lippen und Liebe in ihren Augen von ihren Kindern sprechen. In diesen Momenten sind sie einfach Mama ihres Kindes und es scheint, als könnten wir einen Moment beiseiten lassen, dass dieses Kind verstorben ist. Wir werden alle Teil von diesem wunderbaren und verbundenen Kreis von Frauen, von Müttern, und nehmen Anteil. Anteil an der Freude, an den witzigen Momenten. Anteil an der Unbeschwertheit des damaligen Moments. Wir bekamen sogar wirklich ein Gefühl dafür, wer dieses kleine Baby wirklich war.

Auf der anderen Seite ist diese Stunde auch sehr traurig. Es macht mich traurig, weil mir immer wieder bewusst wird, dass dies vielleicht der erste (und vielleicht letzte) Raum ist, in dem diese Mütter von der schönen und unbeschwerten gemeinsamen Zeit erzählen durften. Die Gesellschaft hat Schwierigkeiten damit, sich mit dem Verlust von Babys auseinanderzusetzen. Nach ihrem Tod sind alle betroffen. Die Freunde und die Familie, selbst Fremde.

Angesichts der Situation sind alle hilf – und sprachlos. Wenn sie schließlich Worte finden, sind es Worte, um zu trösten. Sie nennen den Schrecken und den Schmerz des Verlustes, aber die wenigsten Frauen bekommen z.B. auch Glückwünsche zur Geburt ihres Sternenkindes.

Die wenigsten Sternenmamas werden nach ihren Glücksmomenten der Schwangerschaft und nach der gemeinsamen Zeit gefragt. Der Blick liegt auf der Trauer, dem Verlust und der Abwesenheit des Kindes. Dieser schmerzliche Blick lähmt den Fragenden und hinterlässt Zweifel, ob “man darüber überhaupt sprechen soll/darf.”

Doch ist eine grundlegende Fehlannahme die gesamte Beziehung von der Mama und ihrem Kind auf den Verlust zu reduzieren und daraus die Konsequenz zu ziehen, dass die Frau daher lieber nicht darüber sprechen möchte, weil der Schmerz sonst noch größer wird. Es gibt in der Beziehung zwischen einer Sternernmama und ihrem verstorbenen Baby aber immer mehr als Trauer. Es gibt die Zeit vor dem Tod. Die gemeinsame Lebenszeit. Die Zeit, in der die Frau einfach eine schwangere Frau und Mama war. Vielleicht war diese unbeschwerte Zeit nur wenige Tage oder Wochen, dennoch gab es sie und sie ist es, die diese wunderschönen Erinnerungen und Gefühle in der Mama hinterlassen hat: Glücksgefühle, Gefühle von Stolz, Freude, Hoffnung, Verbindung, Liebe, Ihre Zukunftsvision.

Leider spricht niemand darüber. Das Umfeld fragt aus oben genannten Gründen nicht nach und daher fühlt es sich für die Mamas logischerweise komisch an, frei und offen darüber zu sprechen. Sie spüren die Betroffenheit und die innere Blockade der anderen und hüllen sich daher meist in Schweigen. Oft bleiben all diese Geschichten ungeteilt. Etwas, das mich unglaublich schmerzt, denn alle Sternenkinder sind so viel mehr als die Tatsache, dass sie starben. Sie sind so viel mehr als Herzschmerz und Trauer. Darüber möchten die meisten Sternenkindmamas auch sehr gerne sprechen, denn dies ehrt zum einen die Erinnerung an ihr Kind und zum anderen lässt es ihr Kind weiterhin sichtbar sein in dieser Welt.

In dem Tod- Schweigen fühlt es sich nämlich oft so an, als würden sie ihre Babys ein weiteres Mal verlieren, als wären die Schwangerschaft und die gemeinsame Zeit mit ihnen nur ein flüchtiger Traum.

Wie gehen wir mit dieser Ambivalenz also um?

Wenn du ein(e) Freundin, ein Familienmitglied oder eine Fachperson bist, ist das hier für dich:

🔸Ich möchte, dass du als Angehörige:r oder auch als Fachperson weißt, dass es dieses Leben vor dem Tod gab. Ein Leben voller Erinnerungen und voller Liebe, über die die Mama sehr gerne spricht. Lade sie dazu gerne immer wieder ein, wenn du fühlst, dass es passend ist.

🔸Ich möchte, dass du weißt, dass da neben der Trauer und dem Schmerz, immer auch Liebe und Dankbarkeit ist. Manchmal stehen jedoch die Trauer und der Schmerz im Vordergrund, insb. in der Anfangszeit nach dem Tod.

🔸 Unterm Strich sind Sternenmamas einfach Mamas. Sie waren schwanger, sie haben geboren. Sie hatten gehofft, sich gefreut und ein Leben mit Baby geplant. Sie hatten auch diese Marmeldenglasmomente. Sie möchte daher sehr gerne über ihre Kinder sprechen, und zwar nicht nur über den Teil mit dem Verlust.

Hier greift wieder der erste Punkt. Frage nach, lade zum Gespräch ein, nenne ihr Kind beim Namen.

Wenn du eine betroffene Sternenmama bist, ist das hier für dich:

🔸Ich möchte dich einladen, deinen Blick regelmäßig auf diese schönen Momente und die guten Gefühle zu lenken, die du in der Beziehung zu deinem Sternenkind findest. Ich möchte dich ermutigen, über sie zu sprechen und damit dein Mamasein in dieser Welt sichtbar zu machen. Gehe hier Schritt für Schritt vor, denn es ist erstmal ungewohnt offen über sein Sternenkind zu sprechen. Es erfordert eine gewisse innere Stärke und es ist völlig normal, wenn du diese nicht von Anfang an hast oder auch an manchen Tagen nicht hast.

🔸Ich möchte dich ermutigen sie dir immer wieder bewusst zu machen, damit sie nicht verblassen. Wenn es in deinem Umfeld nicht möglich ist, suche dir eine Gruppe von Gleichgesinnten, wo du die Erinnerungen an dein Kind teilen kannst.

🔸 Gib dir Zeit. Falls du gerade noch viel Wut und Schmerz empfindest, dann ist das völlig in Ordnung. Auch falls du dich gerade weigerst, ein Gefühl der Dankbarkeit zu empfinden. Mir ist dieser Blick auch nicht von Anfang an gelungen. Diese innere Haltung braucht Zeit und diese Zeit definiert jede:r Trauernde für sich alleine. In der akuten Trauer- und Schockzeit geht es tatsächlich darum, diesen Schmerz stehen lassen zu können und ihn zu fühlen, ohne ihn durch positive Gefühle scheinbar abzuschwächen.

Das könnte sonst als toxische Positivität empfunden werden und eher zu Unverständnis führen à la: Aber schau doch mal, was alles gut dabei war.

Mein Fazit: Es ist an der Zeit, dass ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, die ganze Gefühlspalette von Sternenkindeltern anzuerkennen. Neben dem Schmerz um den Verlust des eigenen Babys und der Trauer stehen immer auch die Liebe und die Dankbarkeit für dieses Kind und die Erinnerungen an das gemeinsame Leben.

Ein Leben, das erzählt werden möchte.

Für das Bewusstsein der Frau als Mama ist es wichtig, diesen Erinnerungen Raum zu geben und dabei als Außenstehende(r) nicht nur Traurigkeit zu erwarten. Du darfst auch gemeinsam lachen mit der verwaisten Mama, wenn sie diese Erinnerungen mit dir teilt. Wenn es gerade einmal heiter ist, lass es heiter sein. Du wirst überrascht werden, wie viel Leichtigkeit und Liebe du wahrnehmen wirst.

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